Der Large Hadron Collider (LHC) am CERN ist mit 27 km Umfang der derzeit leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger. Der LHC beschleunigt gegenläufige Protonenstrahlen fast bis auf Lichtgeschwindigkeit und bringt sie an vier Stellen entlang des Rings zur Kollision. Die Energie der Protonen wird dabei in die Masse und Energie neuer Teilchen umgewandelt, die den Kollisionspunkt in alle Richtungen verlassen.

An einem der Kollisionspunkte befindet sich der “Compact Muon Solenoid” (oder CMS) Detektor. CMS ist ein Vielzweckdetektor und soll in der Lage sein, alle unbekannten Physikphänomene, die am LHC erzeugt werden könnten, zu beobachten.

CMS funktioniert als riesige Hochgeschwindigkeitskamera. Mit einer Rate von 40 Millionen pro Sekunde werden dreidimensionale “Fotografien” der Teilchenkollisionen angefertigt. Die allermeisten bei der Kollision produzierten Teilchen sind instabil und zerfallen sofort in leichtere und stabilere Teilchen, die man detektieren kann. Indem fast alle stabilen Teilchen identifiziert werden, kann der Detektor mit den Messungen ihrer Impulse und Energien die Teile eines Puzzles erstellen, aus denen ein Bild der Kollision für die weitere Analyse ersteht.

Wie der CMS Detektor funktioniert

Der Name des 14.000t Detektors “Compact Muon Solenoid”erklärt sich aus:

  • dem kompakten Design; bei einer Höhe von 15m und einer Länge von 21m ist fast das ganze Volumen mit Detektorkomponenten ausgefüllt,
  • der Präzision bei der Detektion von Myonen,
  • dem stärksten, jemals gebauten, Solenoidmagneten.

Der CMS Detektor ist wie eine “zylindrische” Zwiebel aus konzentrischen Lagen von Detektoren aufgebaut. Die verschiedenen Komponenten ermöglichen die “Fotografie” der Teilchenkollision, indem die Eigenschaften der Teilchen gemessen werden. Das geschieht folgendermaßen:

1. Krümmung der Teilchenbahnen

Um die Bahn der Teilchen auf ihrem Weg durch den Detektor zu krümmen, werden leistungsstarke Magnete benötigt. Die Spurkrümmung ist aus zwei Gründen wichtig::

  1. Bestimmung der Teilchenladung: Die Bahnen von positiv und negativ geladenen Teilchen krümmen sich  im Magnetfeld in entgegengesetzter Richtung;
  2. Impulsmessung: Die Bahnen von Teilchen mit niedrigem Impuls werden im Magnetfeld stärker gekrümmt als Bahnen von Teilchen mit hohem Impuls.

Der namensgebende Solenoidmagnet ist eine große supraleitende Zylinderspule. Der zirkulierende elektrische Strom (18 500 Ampere!) erfährt wegen der wunderbaren Eigenschaft der Supraleitfähigkeit keinen elektrischen Widerstand und kann ein magnetisches Feld von etwa 4 Tesla erzeugen. Das entspricht etwa dem 100 000 fachen Magnetfeld der Erde. Ein massives Eisenjoch, mit Abstand der schwerste Teil von CMS, konzentriert das Magnetfeld im Detektorvolumen. 

Der CMS Solenoidmagnet ist der größte jemals gebaute Magnet seiner Art und umschließt die Tracker- und Kalorimeterdetektoren (siehe unten). Dieses platzsparende Design erlaubt im Vergleich zu ähnlich schweren Detektoren relativ kompakte Abmessungen.

[Mehr über das CMS Solenoid (Englisch)]

2. Identifikation von Teilchenspuren

Spurkrümmung allein ist nicht genug. CMS muss auch die Pfade der geladenen Teilchen auf ihrem Weg durch den Detektor mit hoher Präzision aufzeichnen. Das wird mit einem Siliziumdetektor mit 75 Millionen Kanälen erreicht, dessen Detektionsmodule in konzentrischen Lagen angeordnet sind. Wenn ein geladenes Teilchen durch diesen ‘Tracker’ fliegt, entsteht ein Signal im Silizium - ein sogenannter ‘Hit’. Diese Hits werden von Rekonstruktionsalgorithmen zu Teilchenspuren kombiniert.

Die [CMS Trackergruppe am HEPHY] war führend am Design und in der Herstellung der Sensormodule beteiligt, sowie am Zusammenbau und dem Betrieb des CMS Trackers. Ein wichtiger Teil des Trackerprojekts fand und findet daher in Wien statt.

[Mehr über den CMS Tracker (Englisch)]

3. Energiemessung

Die Energien der entstandenen Teilchen liefern einen wesentlicher Bestandteil zu unserem Verständnis der Vorgänge am Kollisionspunkt. Sie werden durch zwei Arten von “Kalorimetern” aufgezeichnet. Das elektromagnetische Kalorimeter (ECAL) bildet die innere Lage dieses Systems und misst - durch totale Absorption- die Energien von hochenergetischen Elektronen und Photonen (Lichtteilchen). Aus Quarks und Gluonen zusammengesetzte Teilchen, sogenannte Hadronen, können das ECAL passieren und werden erst in der äußeren Lage, dem Hadronkalorimeter, (HCAL), gestoppt.

[Mehr über das ECAL (Englisch)] / [Mehr über das HCAL (Englisch)]

4. Detektion von Myonen

Eines der wichtigsten Teilchen, welches CMS direkt beobachten kann, ist das Myon. Es gehört zur selben Familie wie das Elektron, ist aber etwa 200 mal so schwer. Es durchdringt Materie, insbesonderes die Kalorimeter und den CMS Solenoidmagneten. Die Subdetektoren des Myonsystems sind in das Eisenjoch des Magneten eingebettet. Zusammen bilden sie die äußerste Lage des CMS Detektors. Gemeinsam mit der Spurmessung im Tracker, der innersten Detektorlage, kann man den Impuls von Myonen also zweimal messen - einmal innerhalb und einmal außerhalb des Solenoidmagneten.

[Mehr über die CMS Detektorkomponenten (Englisch)]

 

Zusammenbau

Der Zusammenbau des CMS Detektors erfolgte nicht, wie üblich, an Ort und Stelle untertags, sondern ebenerdig und beinahe scheibchenweise in 15 Sektionen. Für die finale Montage wurden die Teile separat durch einen etwa 100m tiefen Schaft in die Experimentierhalle abgesenkt und der Detektor unten zusammengebaut. Das Experiment befindet sich nahe Cessy in Frankreich. Der oberirdische Zusammenbau war sicherer und schneller.  Außerdem erlaubte diese Vorgehensweise den Beginn der Detektorkonstruktion noch bevor die Experimentierhalle, mit ihren unzähligen Datenkabeln und Versorgungsleitungen, fertiggestellt wurde. Die modulare Bauweise hat sich auch anderwertig bezahlt gemacht. Der Detektor kann nun relativ einfach in seine Komponenten zerlegt und gewartet werden.

Umgekehrt haben die hohen Anforderungen an die Flexibilität natürlich Auswirkungen auf die Bauweise jeder einzelnen Detektorkomponente.

[Mehr über den CMS Detektor, incl. 3D Ansicht]

CMS Gruppen am HEPHY